allgemeine Beschreibung
Die Beschäftigung mit den Versteinerungen auf Sylt führt gleichzeitig zu einer Vorstellung über die Entstehungsgeschichte der Insel. Am Anfang war das Meer, das die Fossilien des Glimmertones und des Limonitsandsteines hinterließ. Danach begann eine Sandschüttung mit den ersten verkieselten Baltischen Geröllen des Ordoviziums. Es folgte der Transport des Kaolinsandes zum Roten Kliff. Wenig später wurden die Kaolinsande von Braderup/Munkmarsch mit den zahllosen Fossilien des Kambriums, des Ordoviziums und des Siluriums aufgebaut. In großen Zeitabfolgen entwickelte sich die Westwanderung des Bernsteins, gefolgt von den Gletscherablagerungen des Roten Kliffs mit den Kreideversteinerungen. Die jüngsten Fossilien entstammen dem Eem-Meer. Somit ist die Insel Sylt weniger einem stationären Zustand vergleichbar als vielmehr einem Langzeitvorgang.
Die Basis lieferte das Baltikum
Sylt weist die größten Bodenerhebungen im Bereich des nordfriesischen Wattenmeeres auf. Dafür sind im hohen Maße die Gletschermassen der letzten Eiszeiten mitverantwortlich. Vor etwa zwei bis drei Millionen Jahren lag der Bereich des heutigen nordfriesischen Wattenmeeres im Strömungsgebiet von Mündungen skandinavischer oder baltischer Flüsse, die feinen weißen Kaolinsand anschwemmten. Dieser Kaolinsand überzieht den gesamten Bereich der Insel Sylt und wurde noch zehn Kilometer westlich der Insel unter dem Meeresboden festgestellt. Die Kaolinsandschicht tritt am Roten Kliff, am Weißen Kliff und am Morsumkliff zutage und wird zwischen Munkmarsch und Braderup aus mehreren Gruben für die Verwendung als Baumaterial gewonnen.
Die Geest: Inseln auf der Insel
Auf diesem Kaolinsandhügel (der auch heute noch den Meeresspiegel überragt) lagerten die Eiszeitgletscher Geschiebemoränen ab, die heute als Geestrücken bezeichnet werden und gewissermaßen das Rückgrat der Insel Sylt bilden. Die größte dieser Geestauflagen reicht von Westerland und Keitum im Süden bis nach Kampen im Norden. Auf zwei kleineren Geestinseln liegen Archsum und Morsum. Der übrige Teil der Insel ist entweder Marschland, das sich auf dem Kaolinsand aus Meeresschlick oder Treibsand verfestigt hat, dabei handelt es sich im wesentlichen um die Bereiche südlich von Tinnum und Keitum, südlich von Archsum und im südlichen Bereich der Nössehalbinsel sowie um Teile des Gebietes um List, oder um Nehrungshaken, die das Meer aus Sand angeschwemmt hat, also um die beiden Flügel von Rantum bis Hörnum und von Kampen bis zum Ellenbogen.
Fundmöglichkeiten
Auch heute noch kann ein gewisses Bernsteinvorkommen im Seetorf (Tuul) vermutet werden. Früher baute man Seetorf als Brennmaterial und für die Salzherstellung ab. Heute wird Tuul gelegentlich am Strand angeschwemmt und enthält hier und da noch kleine Bernsteinreste.
Das Rote Kliff
Leider ist das Rote Kliff am interessantesten, wenn es gerade wieder von einer heftigen Sturmflut durchwühlt wurde. Dann ist der Erosionsschutt, der den Abbruchhang meist völlig verdeckt, hier und da weggespült und gibt den Blick frei auf Schichtungen, die sonst nicht erkennbar sind. Man sieht dann die wie mit einem Lineal gezogene, beinah horizontal verlaufende Trennungslinie zwischen der Kaolinsandbasis der Insel und dem aufliegenden eiszeitlichen Geschiebelehm, der das bildet, was man gemeinhin die Geest nennt. In diesen beiden Hauptschichten sind immer wieder Ablagerungen anderer Art eingeschlossen, etwa faulschlammhaltige Schichten, Limonitsandstein oder richtige Braunkohleflöze. In der berühmten, wenn auch teilweise etwas mysteriösen Schrift des Rantumer Predigersohnes Hans Kielholt, die über Gegebenheiten der Insel Sylt zu Anfang des 15. Jahrhunderts berichtet, ist ja von einer mächtigen Schwelle vor der Westküste die Rede, die dem Chronisten wie ein Riff aus Eisen erscheint. Hierbei dürfte es sich um den Limonitsandstein gehandelt haben, der auch im Morsum-Kliff in beträchtlicher Mächtigkeit zutage liegt und der sich auch im Roten Kliff stellenweise findet. Die rostrote Farbe stammt aus der Oxydation von Eisenkarbonat (Siderit), so dass manche Wissenschaftler die Meinung vertreten, diese Substanz solle statt Limonit- besser Siderit-Sandstein genannt werden.
Die im Roten Kliff gelegentlich feststellbaren Braunkohleneinschlüsse haben sich bis ins jüngste Pliozän aus zusammengeschwemmten Pflanzenresten gebildet, über denen später ein Röhricht- und Riedmoor aufwuchs. In den verschiedenen Schichten des Roten Kliffs finden sich die unterschiedlichsten Fossilien und Fremdgesteine. Der Kaolinsand, der ja von Flüssen aus dem skandinavisch-baltischen Raum angeschwemmt wurde, enthält versteinerte Schwämme, Korallen, Hornsteine aus Estland oder Schweden. Der von den Eiszeitgletschern herangeschaffte Geschiebelehm weist Granite und Gneis aus Schweden, Rhombenporphyr aus der Gegend von Oslo und Rapakiwi (Hornblende-Biotit-Granit -> das Leitgeschiebe der pleistozänen Vereisung in Norddeutschland) von den Åland-Inseln und von Finnland auf. Groß ist die Zahl der sogenannten Windkanter, kleinerer Steine, die von eiszeitlichem Sandschliff ein- oder mehrkantig geformt wurden. Wer die Schichtung des Kaolinsandes über eine längere Strecke nach Süden verfolgt, stellt fest, dass sich die Trennlinie zum aufliegenden Geschiebelehm nach Süden hin absenkt und im nördlichen Bereich von Westerland unter den Strand abfällt. Im Raum von Wenningstedt und Kampen erreicht die Kaolinsandschicht ihre größte Höhe, so dass sich auch der Geschiebelehm, die Geest, hier bis zu 27 Meter über den Meeresspiegel erheben kann. Der Ortsname Kampen kommt von kaamp, was Hochfeld bedeutet. Es ist daher verständlich, dass dieses Gebiet seit ältester Zeit besiedelt war und sich hier wie auch in Wenningstedt außerordentlich zahlreiche Siedlungsspuren der Stein- und Bronzezeit fanden. Dem Wanderer fallen daher an zahlreichen Stellen der Gegend vor allem Hünengräber auf.
Das Morsum-Kliff
Eine der spektakulärsten Naturerscheinungen überhaupt ist das Morsum-Kliff, das zusammen mit einem etwa 40 Hektar großen Heidegelände geschützt ist. An diesem Kliffabbruch treten Erdschichten zutage, die teilweise noch aus der Zeit stammen, als Sylt Meeresgrund war. Das war im sogenannten Miozän, einem Teilabschnitt des Tertiärzeitalters, der etwa vor zehn Millionen Jahren zu Ende ging. Im Tertiär reichte das Mittelmeer zeitweise bis in die Region Nordfrieslands, das Klima war warm, die Vegetation der Gegend bestand aus Sumpfzypressen, Lorbeer und Magnolien, die Wälder wurden zeitweilig überschwemmt, vermoderten und bildeten sich zu Braunkohle um. Davon ist hier am Morsumkliff noch gelegentlich etwas zu sehen. Dass wir das ohne Schwierigkeiten wahrnehmen können, liegt daran, dass die ursprünglich waagerecht liegenden Erdschichten durch den ungeheuren Druck der Vergletscherung in der Saaleeiszeit zerbrochen und die Teilstücke um etwa 30-40 Grad gegen den Horizont gestaucht wurden; sie liegen nun auf etwa zwei Kilometer Länge in dreimaliger Wiederholung nebeneinander. Die ursprünglich unterste Schicht besteht aus dunklem Glimmerton, dem Schlamm des damaligen Meeresgrundes. Darüber lag brauner Limonitsandstein aus dem Pliozän, der dem Miozän folgenden, letzten Zeitstufe des Tertiärs, die etwa neun Millionen Jahre dauerte. Dann folgte der weiße Kaolinsand (ebenfalls aus dem Pliozän), der fast das gesamte Gebiet bis weit hinaus ins Meer bedeckt und an verschiedenen Stellen der Insel in Gruben abgebaut wird. Als sich der Kaolinsand ablagerte, war Sylt nicht mehr vom Meer bedeckt, und das Klima kühlte bereits stark ab. Neuere Funde lassen sogar Vereisungsperioden vermuten. Der Sand stammt aus Flüssen, die ihn von Skandinavien oder dem Baltikum hierhergebracht haben. In allen diesen Schichtungen wurden zahlreiche Fossilien gefunden - Schnecken, Muscheln, Krebse, Zähne von Haifischgebissen, Gehörsteine von Knochenfischen, Wirbel von Walen, der Backenzahn eines dreizehigen Zebras, versteinerte Schwämme und Korallen, aber auch Hornsteine, Achate, Rauchquarze, Amethyste. Im Sylter Heimatmuseum in Keitum befindet sich davon eine reichhaltige Sammlung.
Lage / Anfahrt
Wenn man nur zum Sammeln nach Sylt kommt, ist es besser mit dem Auto anzureisen. Falls man zusätzlich noch die Schönheiten von Sylt bewundern will, und etwas Zeit mitbringt, ist unbedingt ein Fahrrad zu empfehlen. Dieses kann man dort problemlos ausleihen.
Literaturhinweise
"Exkursionsführer Erdgeschichte des Nordsee- und Ostseeraumes" von Degens, Hillmer, Spaeth
"Sylt, kennen und lieben", LN Touristik Führer
"Landschaftsgeschichtliche Exkursionsziele in SH" von Reinhard Zölitz Punkt Nr.2,3
"Fossilien von Sylt" von VON HACHT, U. (Hrsg.)
"Fossilien von Sylt" II von VON HACHT, U. (Hrsg.)
"Fossilien von Sylt" III von VON HACHT, U. (Hrsg.)
"Freude an Steinen" von Artur Wittern (Seite 119).
Broschüre "Versteinerungen auf Sylt" von Bädergemeinschaft Sylt e.V., Postf. 11 50, 25961 Westerland, Stephanstr. 6, 25980 Westerland Telefon (04651) 82020, Telefax (04651) 820222
"Klassische Fundstellen der Paläontologie" Band III (ISBN 3-926129-19-0)